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RAINBOWS Feriencamps – Rebellion mit Herz

Bettina Stephanie Sohler, ehemalige RAINBOWS-Gruppenleiterin in Wien, derzeit freiberufliche Mitarbeiterin für Gigagampfa Vorarlberg, arbeitet seit 2010 bei RAINBOWS. Aus eigener Erfahrung weiß sie, wie wichtig es ist, dass man als Scheidungskind Unterstützung erfährt. Noch während ihrer Ausbildung als Sozialpädagogin begann sie 2010 als Ferien-Praktikantin bei RAINBOWS. Als ausgebildete RAINBOWS-Gruppenleiterin war sie auch in den letzten drei Jahren in den Feriencamps tätig. Im Interview erzählt Sie über die Arbeit in den RAINBOWS Feriencamps und was diese so besonders macht.

Was motiviert Sie, Kinder aus Scheidungsfamilien im Feriencamp zu betreuen und zu begleiten?
Kinder, die Erfahrungen mit Verlust und Trennung gemacht haben, kann ich als Betreuerin in den Feriencamps von RAINBOWS intensiver kennenlernen. Das hilft, die Kinder und ihre Bedürfnisse besser zu verstehen. Außerdem spielt die Natur in den Feriencamps eine große Rolle: Am Attersee im Jugendrotkreuzhaus kommt richtiges Urlaubsflair auf. Auch das hilft den Kindern, mehr aus sich herauszugehen, und erleichtert unsere Arbeit. Vor allem bei schönem Wetter trägt die Natur maßgeblich zur heilsamen Wirkung bei.
Was motiviert die Kinder, am Feriencamp teilzunehmen?
Es kommen Kinder zwischen acht und zwölf Jahren aus ganz Österreich zusammen, die ähnliche Erfahrungen in der Familie gemacht haben. Es entsteht das Gefühl, dass man nicht allein ist und auch andere ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Außerdem können sich die Kinder im Feriencamp vernetzen. Innerhalb einer Woche entstehen oft sehr tiefgehende Freundschaften.
Wie läuft ein typischer Feriencamp-Tag ab?
Am Vormittag arbeiten wir mit den Kindern thematisch und pädagogisch, am Nachmittag sind Outdoor-Aktivitäten und Spielspaß angesagt. Die gemeinsamen Spiele und das Abenteuererlebnis in der Natur beinhalten für die Kinder sicher den größten Lernaspekt. Die Natur bietet einfach eine tolle und heilsame Kulisse. Da kann man als Betreuerin leichter ansetzen und die Kinder bei der Gefühlsarbeit unterstützen. Die Fakten, also die Trennung oder den Verlust, das können wir nicht ändern.
Wie zeigen sich Verlustängste und Trennungsschmerz bei den Kindern?
Bei Kindern äußern sich Verlustängste oder Trennungsschmerz oft auf psychosomatische Weise: Sie haben Bauch- und Kopfschmerzen, Neurodermitis oder große Angst bei Verletzungen. Manchmal kommt es zu Einnässen und Einkoten. Ihr Selbstwert ist oft stark erschüttert. Die Kinder zeigen auch schnell Schuldgefühle.
Welche Unterstützung brauchen die Kinder?
Was ihnen gut tut, sind Kraftquellen, Inseln und Zufluchtsorte. Zudem arbeiten wir sehr individuell mit ihnen und wir unterstützen die Eltern dabei, den Kindern in adäquaten und kindlichen Worten zu erklären, was passiert ist und wie sie die Dinge benennen können. Auch lassen wir den Kindern viel persönlichen Freiraum. Zum Beispiel hat ein zwölfjähriger Junge sein Kuscheltier überallhin mitgenommen, in der Schule wäre er dafür gehänselt worden. Im Feriencamp darf er das und es wird auch von den anderen Kindern akzeptiert. Die Kinder dürfen einfach auch mal Kind sein: Sie dürfen toben und laut Musik hören. Sie dürfen aber auch ihren Gefühlen freien Lauf lassen – dabei liegen Trauern und Lachen oft sehr nahe beieinander.
Warum gibt es ein Feriencamp für Kinder in Trennungssituationen und eines für Kinder mit Verlusterfahrungen?
2010 waren die Feriencamps so organisiert, dass sowohl Kinder, deren Eltern sich getrennt haben, als auch Kinder, die den Tod einer nahen Bezugsperson erlebt haben, gemeinsam in einer Gruppe waren. Bei Themen wie Suizid wurde es aber schwierig. Kinder aus einem relativ geschützten und intakten Elternhaus kamen mit Themen in Berührung, die sie zusätzlich zu ihrer eigenen Situation beschäftigten. Deswegen waren getrennte Gruppen notwendig.
Welches Feriencamp-Erlebnis ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
An ein Erlebnis kann ich mich sehr gut erinnern: Am letzten Abend wollten die Kinder alle in einem Zimmer übernachten. Da aber nicht alle Kinder in einem Zimmer Platz fanden, konnten wir Betreuer dem nicht zustimmen. Kurz entschlossen haben sie ihre Matratzen in den Gang zwischen die Zimmer gelegt. Wir Betreuer fanden diese „Rebellion mit Herz“ großartig, weil sie so ihre Freundschaft und Verbundenheit zueinander ausgedrückt haben. Aus feuerpolizeilichen Gründen mussten wir zwar nach einiger Zeit die Aktion beenden, trotzdem war es ein tolles Erlebnis.
Was berichten die Eltern über das Feriencamp?
Die Eltern erzählen uns, dass ihr Kind nach dem Feriencamp ein stärkeres Selbstwertgefühl hat, dass es sich in der Schule wieder besser konzentrieren kann, dass Klarheit über die neue Familiensituation herrscht und ihr Kind über viele Sachthemen bezüglich Scheidung nun besser Bescheid wüsste. Wir sehen bereits Mitte der Woche, dass sich die Gefühle der Kinder stabilisieren und dass sie „weicher“ gegenüber anderen Kindern werden, dass sie weniger schimpfen und besser zuhören. Die Kinder reifen in der Woche und es ist ein Meilenstein in ihrer Entwicklung.
Welchen Tipp können Sie Eltern in ähnlichen Situationen geben?
Kindern ist es sehr wichtig, dass Eltern sie nicht ignorieren oder negativ über ihren ehemaligen Partner sprechen. Kinder fühlen sich sonst schnell hin- und hergerissen. Besuchskontakte oder Übergaben sollten daher so neutral wie möglich gestaltet werden. Gut ist es, wenn beide Elternteile einen Plan haben und sich die Erziehungsarbeit auch nach der Trennung aufteilen. Eine Rollenaufteilung nach dem Motto „good cop bad cop“ ist nicht empfehlenswert. Kinder freuen sich auf gemeinsame Erlebnisse und wünschen sich, dass sie von beiden Elternteilen gleichermaßen geliebt werden.

Bettina Stephanie Sohler, RAINBOWS-Gruppenleiterin, Sozialpädagogin, Kindergartenpädagogin, medizinische Heilmasseurin



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